Ich ging auf nackten Füßen durch die Wohnung. Es war dunkel
und still, ängstlich klammerte ich an meinen Teddy.
Mit vorsichtigen Schritten schlich ich durch den Flur, am
Ende des Gangs hörte ich ein leises Schluchzen.
Ich öffnete langsam dir Tür, meine große Schwester kauerte
am Boden neben meiner Mutter, welche schlief.
„Belle?“ ich begriff nicht warum sie weinte, es war doch
alles gut. Ich legte ihr die Hand auf die Schulter, wie Mama es immer machte
wenn ich weinte „Belle? Du musst nicht traurig sein! Ich gebe dir auch meinen
Teddy, der kann ganz gut trösten!“
Meine Schwester hob den Kopf, ihr Gesicht war Tränen überströmt
und ihre Schminke verschmiert. Sie schluchzte und stand auf.
„ Sophie, warum schläfst du denn nicht?“, ihre Stimme war
liebevoll und unendlich traurig.
Ich schaute auf,
Belles weißer Hello Kitty – Schlafanzug, den ich so sehr liebte, wurde von
roten Flecken überzogen. Es sah aus wie wenn ich mit meinen Farbmalkasten
spielte und die Farbe verschüttete. Ich überlegte kurz, vielleicht hatte Sophie
Mama ein Bild gemalt und es hatte ihr nicht gefallen und jetzt war meine große
Schwester traurig. Aber das konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen, Mama
gefiele meine Bilder immer und Sophie konnte so viel schöner malen wie ich!
„Belle, warum weinst du denn jetzt?“
Ich wollte endlich wissen was los war. Doch mit einem
Kopfschütteln überging meine Schwester die Frage und nahm mich in den Arm. Ich
spürte wie ein Schluchzen ihren Köper erbeben ließ. Leise murmelte sie ein paar
Worte die ich jedoch nicht verstand. Ich befreite mich aus ihrer Umarmung und
sah sie an „ Sagst du mir wenigstens warum Mama im Bad schläft?“
Trauer und Schmerz zeichnete sich in Belles Gesicht ab, sie
schlug die Hände davor und begann wieder heftig zu weinen. Dann sah sie mich an
und streichelte mir liebevoll über den Kopf „Mama war sehr, sehr müde, Sophie.“
„So müde dass sie im Bad schlafen wollte?“
„Ja.“
Ich schaute meinen Teddy an und berührte seine Nase „Dann
ist doch alles gut. Wollen wir Mama nicht eine Decke und ein Kissen holen?“
„Sophie, Mama braucht keine Decke…“
„Dann lass sie uns wecken. Mamas gehören in Betten und nicht
auf Badezimmerböden!“
Belle erstarrte und nahm ihre Hand von meinem Kopf.
Verwirrt schaute ich auf „ Was ist?“
„Mama ist zu müde,
man kann sie nicht mehr aufwecken.“
Nicht mehr wecken? Meiner Erfahrung nach reichte da ein Stupfer,
oder der Wecker. Ich trat näher an Mama und stupste sie kurz an. Keine Reaktion.
Auch Mama war voller Rot, vielleicht hatten Belle und Mama gemeinsam gemalt und
jetzt war Mama ganz Müde.
„Warum ist Mama so voller Farbe?“
Belle atmete stockend aus „Das ist keine Farbe, das ist
Blut.“
Ich starrte Belle geschockt an „ Dann brauchen wir nur ein
großes Pflaster und dann hört es auf, nicht Belle?“
Ich lächelte, Papa hatte mit uns auch immer Arzt gespielt
wenn er Mama, Belle oder mir wehgetan hatte, so schwer konnte das nicht sein.
„Sophie,“ sagte Belle langsam „Mama hilft kein Pflaster,
Mama braucht auch keine Decke mehr, weil Mama… weil Mama tot ist.“
Tot? Dieses Wort hatte ich schon oft gehört, aber nie hatte ich geahnt wie schlimm es sich an fühlen würde! Auf einmal schien es mir, als wäre ich ganz allein. Dunkelheit umgab mich einem mal, ich hörte Belle noch in der Ferne rufen, dann folgte Stille und trauer.